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Morgenpost, Sonntag, 06. Oktober 2002
Wie verkauft man die Bibel? Fünf Autoren schreiben einen Klappentext
Von
Artur Becker
Die Bibel, der meistverkaufte Roman der Welt, ist wohl neben den Veden (heilige Schriften der alten Inder) das einzige Buch, das alles
Wissen der Menschheit enthält. Die Schöpfungsgeschichte, das Neue Testament und die Johannes-Offenbarung erzählen schließlich von unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - dazu, wie es scheint, nicht nur auf
Erden, auf unserem Planeten, sondern auch im Weltall. Was auch immer bei der Vertreibung aus dem Paradies passiert sein mag, «am Anfang war das Wort» - der Urknall, der göttliche Befehl, der Grundstein für alle
Physik des Universums.
Die Manichäer glaubten, der Urmensch Adam sei geschaffen worden als Waffe gegen das Böse, das Dunkle, das das Licht aus Eifersucht auf seine unermessliche Schönheit angegriffen habe.
Während dieses Kampfes soll es zu einer Gegenschöpfung gekommen sein: Frankenstein wurde erschaffen, wenn man so will, der moderne Mensch, ein Wesen aus dunklen und lichten Bausteinen. In der Bibel liest man in
diesem Zusammenhang von gefallenen Engeln. Sind wir Menschen also ursprünglich Engel gewesen? Gute oder böse? Und falls ja, ist Jesus Christus tatsächlich unser Erlöser?
Aber dass wir mittlerweile selbst zu
biblischen Schöpfern avancieren, ist bekannt, und es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was in den Laboratorien der Gentechniker entsteht. Der Er-Erzähler ist immer dunkel und scheinbar ernster als der
Ich-Erzähler. Vergessen Sie aber nicht, woher diese Färbungen kommen: Der Er-Erzähler steht unter starkem, archaischem, biblischem Einfluss, während der Ich-Erzähler ein Produkt der Moderne ist - folglich muss er
noch lange üben, bis er die Perfektion seines viel älteren Bruders erreicht. Und das ist die Bibel, der größte Roman, an dem zum Beispiel Dostojewski oder Singer weiter geschrieben haben.
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